CAD-Features zur Modellierung und Vorhersage physischer Mensch-Maschine Interaktionen
Die frühzeitige Berücksichtigung von nutzerzentrierten Faktoren wie Produktergonomie, Gebrauchstauglichkeit oder (Dis-)Komfort gewinnen in der Produktentwicklung zunehmend an Relevanz. Obwohl diese Begriffe vermehrt Einzug in die Lasten- und Pflichtenhefte halten, werden nach wie vor mehrheitlich analoge Methoden wie Nutzertests oder Richtlinien zur Absicherung nutzerzentrierter Anforderungen verwendet. Nutzerzentrierte CAE-Tools kommen hingegen kaum zum Einsatz. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des DFG-geförderten Forschungsprojektes „CAD-Features zur Beschreibung physischer Mensch-Maschine Interaktionen“ die methodische Grundlage für ein Computer Aided Ergonomics Tool unter Verwendung digitaler Menschmodelle erforscht. In insgesamt 2 ¾ Jahren Projektlaufzeit wurde eine Methodik entwickelt, mit welcher sich Interaktionen zwischen digitalen Produktmodellen und digitalen Menschmodellen modellieren und vorhersagen lassen. Dadurch werden proaktive Bewertungen nutzerzentrierter Faktoren am digitalen Produktmodell möglich.
Das entwickelte Interaktionsmodell besteht aus einer Modellierungsumgebung für physische Mensch-Maschine Interaktionen sowie einer Methode zur Körperhaltungsvorhersage und -analyse. Die Modellierungsumgebung wurde als Plugin für die CAD-Software SiemensNX realisiert und ermöglicht es Produktentwickler*innen Interaktionsszenarien in gewohnter CAD-Umgebung intuitiv und zugänglich zu modellieren. Als methodisches Gerüst wird dabei auf das Konzept der Affordanzen zurückgegriffen, welches verwendet werden kann, um Interaktionsmöglichkeiten zu formalisieren. Mithilfe eines Klassifizierungsprozesses, wurde ein Katalog elementarer Affordanzen identifiziert und diese als CAD-Features implementiert. Mithilfe dieser Affordanz-Features lassen sich digitalen Produktmodellen Informationen hinsichtlich deren Interaktionsschnittstellen anhängen. Diese Informationen werden zur Anwendung der Körperhaltungsvorhersage und -analyse benötigt. Diese findet unter Verwendung des Mehrkörpersimulationssystems OpenSim anhand eines muskuloskelettalen Ganzkörpermodells statt. Die relevanten Interaktionsinformationen werden aus dem CAD-System extrahiert und in entsprechende Randbedingungen transformiert. Mithilfe eines Optimierungsalgorithmus kann das Interaktionsverhalten in Form von Körperhaltungen synthetisiert werden. Diese Körperhaltungen lassen sich daraufhin dynamisch analysieren. Ergebnis der dynamischen Analyse sind Muskelkräfte und -aktivierungen, welche eine physiologisch und biomechanisch begründete Analyse der Mensch-Produkt Interaktion ermöglichen.